Euripides.

Und da er nun kommt, nun Herkules auftritt und ruft: Sie ist tot! tot! hast sie weggefuhrt, schwarze gra?liche Geleiterin zum Orkus, hast mit deinem verzehrenden Schwerte abgeweihet ihre Haare. Ich bin Jupiters Sohn und traue mir Kraft zu uber dich. An dem Grabe will ich dir auflauschen, wo du das Blut trinkst der abgeschlachteten Totenopfer, fassen will ich dich, Todesgottin, umknupfen mit meinen Armen, die kein Sterblicher und kein Unsterblicher loset, und du sollst mir herausgeben das Weib, Admetens liebes Weib, oder ich bin nicht Jupiters Sohn.

Herkules tritt auf.

Was redt ihr von Jupiters Sohn? Ich bin Jupiters Sohn.

Admet.

Haben wir dich in deinem Rauschschlafchen gestort?

Herkules.

Was soll der Larm?

Alceste.

Ei, da ist der Wieland.

Herkules.

Ei wo?

Admet.

Da steht er.

Herkules.

Der! Nun, der ist klein genug. Hab ich mir ihn doch so vorgestellt. Seid Ihr der Mann, der den Herkules immer im Munde fuhrt?

Wieland.

Ich habe nichts mit Euch zu schaffen, Kolo?.

Herkules.

Bin ich dir als Zwerg erschienen?

Wieland.

Als wohlgestalter Mann, mittlerer Gro?e tritt mein Herkules auf.

Herkules.

Mittlerer Gro?e! Ich!

Wieland.

Wenn Ihr Herkules seid, so seid Ihr's nicht gemeint.

Herkules.

Es ist mein Name, und auf den bin ich stolz. Ich wei? wohl, wenn ein Fratze keinen Schildhalter unter den Baren, Greifen und Schweinen finden kann, so nimmt er einen Herkules dazu. Denn meine Gottheit ist dir niemals im Traum erschienen.

Wieland.

Ich gestehe, das ist der erste Traum, den ich so habe.

Herkules.

So geh in dich und bitte den Gottern ab deine Noten ubern Homer, wo wir dir zu gro? sind. Das glaub ich, zu gro?!

Wieland.

Wahrhaftig, Ihr seid ungeheuer. Ich hab mir Euch niemals so imaginiert.

Herkules.

Was kann ich davor, da? Er so eine engbrustige Imagination hat. Wer ist denn Sein Herkules, auf den Er sich so viel zu gute tut? Und was will Er? Fur die Tugend! Was hei?t die Devise? Hast du die Tugend gesehn, Wieland? Ich bin doch auch in der Welt herumkommen, und ist mir nichts so begegnet.

Wieland.

Die Tugend, fur die mein Herckules alles tut, alles wagt, Ihr kennt sie nicht?

Herkules.

Tugend! Ich hab das Wort erst hierunten von ein paar albernen Kerls gehort, die keine Rechenschaft davon zu geben wu?ten.

Wieland.

Ich bin's ebensowenig imstande. Doch la?t uns daruber keine Worte verderben. Ich wollte, Ihr hattet meine Gedichte gelesen, und Ihr wurdet finden, da? ich selbst die Tugend wenig achte. Sie ist ein zweideutiges Ding.

Herkules.

Ein Unding ist sie, wie alle Phantasie, die mit dem Gang der Welt nicht bestehen kann. Eure Tugend kommt mir vor wie ein Zentaur; solang der vor Eurer Imagination herumtrabt, wie herrlich, wie kraftig! und wenn der Bildhauer Euch ihn hinstellt, welch ubermenschliche Form! — Anatomiert ihn und findet vier Lungen, zwei Herzen, zwei Magen. Er stirbt im Augenblicke der Geburt wie ein andres Mi?geschopf, oder ist nie au?er Eurem Kopf erzeugt worden.

Wieland.

Tugend mu? doch was sein, sie mu? wo sein.

Herkules.

Bei meines Vaters ewigem Bart! Wer hat daran gezweifelt? Und mich dunkt, bei uns wohnte sie, Halbgottern und Helden. Meinst du, wir lebten wie das Vieh, weil eure Burger sich vor den Faustrechtszeiten kreuzigen? Wir hatten die bravsten Kerls unter uns.

Wieland.

Was nennt ihr brave Kerls?

Herkules.

Einen, der mitteilt, was er hat. Und der reichste ist der bravste. Hatte einer Uberflu? an Kraften, so prugelte er die andern aus. Und versteht sich, ein rechter Mann gibt sich nie mit Geringern ab, nur mit seinesgleichen, auch Gro?ern wohl. Hatte einer denn Uberflu? an Saften, machte er den Weibern so viel Kinder, als sie begehrten, auch wohl ungebeten. Wie ich denn selbst in einer Nacht funfzig Buben ausgearbeitet habe. Fehlt es einem denn an beiden, und der Himmel hatte ihm, oder auch wohl dazu, Erb und Hab vor Tausenden gegeben, eroffnete er seine Turen und hie? Tausende willkommen, mit ihm zu genie?en. Und da steht Admet, der wohl der Bravste in diesem Stucke genannt werden kann.

Wieland.

Das meiste davon wird zu unsern Zeiten fur Laster gerechnet.

Herkules.

Laster, das ist wieder ein schones Wort. Dadurch wird eben alles so halb bei euch, da? ihr euch Tugend und Laster als zwei Extrema vorstellt, zwischen denen ihr schwankt. Anstatt euern Mittelzustand als den positiven anzusehn und den besten, wie's eure Bauern und Knechte und Magde noch tun.

Wieland.

Wenn Ihr diese Gesinnungen in meinem Jahrhunderte merken lie?et, man wurde Euch steinigen. Haben sie mich wegen meiner kleinen Angriffe an Tugend und Religion so entsetzlich verketzert.

Herkules.

Was ist da viel anzugreifen? Die Pferde, Menschenfresser und Drachen, mit denen hab ich's aufgenommen, mit Wolken niemals, sie wollten eine Gestalt haben, wie sie mochten. Die uberla?t ein gescheiter Mann dem Winde, der sie zusammengefuhrt hat, wieder zu verwehen.

Wieland.

Ihr seid ein Unmensch! Ein Gotteslastrer.

Herkules.

Will dir das nicht in Kopf? Aber des Prodikus Herkules, das ist dein Mann. Eines Schulmeisters Herkules. Ein unbartiger Sylvio am Scheideweg. Waren mir die Weiber begegnet, siehst du, eine unter den Arm, eine unter den, und alle beide hatten mit fortgemu?t. Darin ist dein Amadis kein Narr, ich la? dir Gerechtigkeit widerfahren.

Wieland.

Kenntet Ihr meine Gesinnungen, Ihr wurdet noch anders denken.

Herkules.

Ich wei? genug. Hattest du nicht zu lang unter der Knechtschaft deiner Sittenlehre geseufzt, es hatte noch was aus dir werden konnen. Denn jetzt hangen dir immer noch die scheelen Ideale an. Kannst nicht verdauen, da? ein Halbgott sich betrinkt und ein Flegel ist, seiner Gottheit ohnbeschadet. Und wunder meinst, wie du einen Kerl prostituiert hattest, wenn du ihn untern Tisch,oder zum Madel auf die Streu bringst. Weil eure Hochwurden das nicht Wort haben wollen.

Wieland.

Ich empfehle mich.

Herkules.

Du mochtest aufwachen. Noch ein Wort. Was soll ich von eines Menschen Verstand denken, der in seinem vierzigsten Jahr ein gro? Werks und Wesens draus machen kann und funf, sechs Bucher voll schreiben, davon, da? ein Maidel mit kaltem Blut kann bei drei, vier Kerls liegen und sie eben in der Reihe herum liebhaben. Und da? die Kerls sich druber beleidigt finden und doch wieder anbei?en. Ich sehe gar nicht —

Pluto inwendig.

He! Ho! Was fur ein verfluchter Larm da drau?en. Herkules, dich hort man uberall vor. Kann man denn nicht einmal ruhig liegen bei seinem Weibe, wenn sie nichts dagegen hat.

Herkules.

So gehabt Euch wohl, Herr Hofrat.

Wieland erwachend.

Sie reden, was sie wollen: mogen sie doch reden, was kummert's mich.