Gotz . Das ist also Eure Sache nicht. (Er steht auf, sieht nach dem Jungen und kommt wieder.)

Martin . Wollte, Gott hatte mich zum Gartner oder Laboranten gemacht! Ich konnte glucklich sein. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Erfurt in Sachsen; er wei?, ich kann nicht ruhn; da schickt er mich herum, wo was zu betreiben ist. Ich geh zum Bischof von Konstanz.

Gotz . Noch eins! Gute Verrichtung!

Martin . Gleichfalls.

Gotz . Was seht Ihr mich so an, Bruder?

Martin . Da? ich in Euern Harnisch verliebt bin.

Gotz . Hattet Ihr Lust zu einem? Es ist schwer und beschwerlich ihn zu tragen.

Martin . Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt! und mir kommt nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein durfen. Armut, Keuschheit und Gehorsam — drei Gelubde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das Unausstehlichste scheint, so unertraglich sind sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last, oder der weit druckendern Burde des Gewissens mutlos zu keuchen! O Herr! was sind die Muhseligkeiten Eures Lebens, gegen die Jammerlichkeiten eines Standes, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedeihen, aus mi?verstandener Begierde Gott naher zu rucken, verdammt?

Gotz . War Euer Gelubde nicht so heilig, ich wollte Euch bereden, einen Harnisch anzulegen, wollt Euch ein Pferd geben, und wir zogen miteinander.

Martin . Wollte Gott, meine Schultern fuhlten Kraft, den Harnisch zu ertragen, und mein Arm Starke, einen Feind vom Pferd zu stechen! — Arme schwache Hand, von jeher gewohnt, Kreuze und Friedensfahnen zu fuhren und Rauchfasser zu schwingen, wie wolltest du Lanze und Schwert regieren! Meine Stimme, nur zu Ave und Halleluja gestimmt, wurde dem Feind ein Herold meiner Schwache sein, wenn ihn die Eurige uberwaltigte. Kein Gelubde sollte mich abhalten wieder in den Orden zu treten, den mein Schopfer selbst gestiftet hat!

Gotz . Gluckliche Wiederkehr!

Martin . Das trinke ich nur fur Euch. Wiederkehr in meinen Kafig ist allemal unglucklich. Wenn Ihr wiederkehrt, Herr, in Eure Mauern, mit dem Bewu?tsein Eurer Tapferkeit und Starke, der keine Mudigkeit etwas anhaben kann, Euch zum erstenmal nach langer Zeit, sicher vor feindlichem Uberfall, entwaffnet auf Euer Bette streckt und Euch nach dem Schlaf dehnt, der Euch besser schmeckt als mir der Trunk nach langem Durst: da konnt Ihr von Gluck sagen!

Gotz . Dafur kommt's auch selten.

Martin (feuriger). Und ist, wenn's kommt, ein Vorschmack des Himmels. — Wenn Ihr zuruckkehrt, mit der Beute Eurer Feinde beladen, und Euch erinnert: den stach ich vom Pferd, eh er schie?en konnte, und den rannt ich samt dem Pferde nieder, und dann reitet Ihr zu Euerm Schlo? hinauf, und —

Gotz . Was meint Ihr?

Martin . Und Eure Weiber! (Er schenkt ein.) Auf Gesundheit Eurer Frau! (Er wischt sich die Augen.) Ihr habt doch eine?

Gotz . Ein edles vortreffliches Weib!

Martin . Wohl dem, der ein tugendsam Weib hat! des lebt er noch eins so lange. Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schopfung!

Gotz (vor sich). Er dauert mich! Das Gefuhl seines Standes fri?t ihm das Herz.

Georg (gesprungen). Herr! ich hore Pferde im Galopp! Zwei! Es sind sie gewi?.

Gotz . Fuhr mein Pferd heraus! Hans soll aufsitzen. — Lebt wohl, teurer Bruder, Gott geleit Euch! Seid mutig und geduldig. Gott wird Euch Raum geben.

Martin . Ich bitt um Euern Namen.

Gotz . Verzeiht mir. Lebt wohl! (Er reicht ihm die linke Hand.)

Martin . Warum reicht Ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert?

Gotz . Und wenn Ihr der Kaiser wart, Ihr mu?tet mit dieser vorliebnehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich: sie ist eins mit ihrem Handschuh; Ihr seht, er ist Eisen.

Martin . So seid Ihr Gotz von Berlichingen! Ich danke dir, Gott, da? du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann, den die Fursten hassen und zu dem die Bedrangten sich wenden! (Er nimmt ihm die rechte Hand.) La?t mir diese Hand, la?t mich sie kussen!

Gotz . Ihr sollt nicht.

Martin . La?t mich! Du, mehr wert als Reliquienhand, durch die das heiligste Blut geflossen ist, totes Werkzeug, belebt durch des edelsten Geistes Vertrauen auf Gott!

Gotz (setzt den Helm auf und nimmt die Lanze).

Martin . Es war ein Monch bei uns vor Jahr und Tag, der Euch besuchte, wie sie Euch abgeschossen ward vor Landshut. Wie er uns erzahlte, was Ihr littet, und wie sehr es Euch schmerzte, zu Eurem Beruf verstummelt zu sein, und wie Euch einfiel, von einem gehort zu haben, der auch nur eine Hand hatte und als tapferer Reitersmann doch noch lange diente — ich werde das nie vergessen.

(Die zwei Knechte kommen.)

Gotz (zu ihnen. Sie reden heimlich).

Martin (fahrt inzwischen fort). Ich werde das nie vergessen, wie er im edelsten einfaltigsten Vertrauen auf Gott sprach:»Und wenn ich zwolf Hand hatte und deine Gnad wollt mir nicht, was wurden sie mir fruchten? So kann ich mit einer «—

Gotz . In den Haslacher Wald also. (Kehrt sich zu Martin.) Lebt wohl, werter Bruder Martin. (Ku?t ihn.)

Martin . Verge?t mich nicht, wie ich Euer nicht vergesse.

(Gotz ab.)

Martin . Wie mir's so eng ums Herz ward, da ich ihn sah. Er redete nichts, und mein Geist konnte doch den seinigen unterscheiden. Es ist eine Wollust, einen gro?en Mann zu sehn.

Georg . Ehrwurdiger Herr, Ihr schlaft doch bei uns?

Martin . Kann ich ein Bett haben?

Georg . Nein, Herr! ich kenne Betten nur vom Horensagen, in unsrer Herberg ist nichts als Stroh.

Martin . Auch gut. Wie hei?t du?

Georg . Georg, ehrwurdiger Herr!

Martin . Georg! da hast du einen tapfern Patron.

Georg . Sie sagen, er sei ein Reiter gewesen; das will ich auch sein.

Martin . Warte! (Zieht ein Gebetbuch hervor und gibt dem Buben einen Heiligen.) Da hast du ihn. Folge seinem Beispiel, sei brav und furchte Gott! (Martin geht.)

Georg . Ach ein schoner Schimmel! wenn ich einmal so einen hatte! — und die goldene Rustung! — Das ist ein garstiger Drach — Jetzt schie? ich nach Sperlingen — Heiliger Georg! mach mich gro? und stark, gib mir so eine Lanze, Rustung und Pferd, dann la? mir die Drachen kommen!

Jagsthausen. Gotzens Burg

Elisabeth. Maria. Karl, sein Sohnchen.

Karl . Ich bitte dich, liebe Tante, erzahl mir das noch einmal vom frommen Kind, 's is gar zu schon.

Maria . Erzahl du mir's, kleiner Schelm, da will ich horen, ob du achtgibst.

Karl . Wart e bis, ich will mich bedenken. — Es war einmal — ja — es war einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin —

Maria . Nicht doch. Da sagte die Mutter:»Liebes Kind«—

Karl .»Ich bin krank«—

Maria .»Und kann nicht ausgehn«—

Karl . Und gab ihm Geld und sagte.»Geh hin, und hol dir ein Fruhstuck. «Da kam ein armer Mann —

Maria . Das Kind ging, da begegnet' ihm ein alter Mann, der war — nun Karl!

Karl . Der war — alt —

Maria . Freilich! der kaum mehr gehen konnte, und sagte.»Liebes Kind«—

Karl .»Schenk mir was, ich habe kein Brot gessen gestern und heut. «Da gab ihm 's Kind das Geld —

Maria . Das fur sein Fruhstuck sein sollte.

Karl . Da sagte der alte Mann —

Maria . Da nahm der alte Mann das Kind —

Karl . Bei der Hand, und sagte — und ward ein schoner glanzender Heiliger, und sagte: —»Liebes Kind«—

Maria .»Fur deine Wohltatigkeit belohnt dich die Mutter Gottes durch mich: welchen Kranken du an ruhrst«—

Karl .»Mit der Hand«— es war die rechte, glaub ich.

Maria . Ja.

Karl .»Der wird gleich gesund.»

Maria . Da lief das Kind nach Haus und konnt fur Freuden nichts reden.

Karl . Und fiel seiner Mutter um den Hals und weinte fur Freuden —

Maria . Da rief die Mutter:»Wie ist mir!«und war — nun Karl!

Karl . Und war — und war —

Maria . Du gibst schon nicht acht! — und war gesund. Und das Kind kurierte Konig und Kaiser, und wurde so reich, da? es ein gro?es Kloster bauete.

Elisabeth . Ich kann nicht begreifen, wo mein Herr bleibt. Schon funf Tag und Nachte, da? er weg ist, und er hoffte so bald seinen Streich auszufuhren.

Maria . Mich angstigt's lang. Wenn ich so einen Mann haben sollte, der sich immer Gefahren aussetzte, ich sturbe im ersten Jahr.

Elisabeth . Dafur dank ich Gott, da? er mich harter zusammengesetzt hat.

Karl . Aber mu? dann der Vater ausreiten, wenn's so gefahrlich ist?

Maria . Es ist sein guter Wille so.

Elisabeth . Wohl mu? er, lieber Karl.

Karl . Warum?

Elisabeth . Wei?t du noch, wie er das letztemal ausritt, da er dir Weck mitbrachte?

Karl . Bringt er mir wieder mit?

Elisabeth . Ich glaub wohl. Siehst du, da war ein Schneider von Stuttgart, der war ein trefflicher Bogenschutz, und hatte zu Koln auf'm Schie?en das Beste gewonnen.

Karl . War's viel?

Elisabeth . Hundert Taler. Und darnach wollten sie's ihm nicht geben.

Maria . Gelt, das ist garstig, Karl?

Karl . Garstige Leut!

Elisabeth . Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er mochte ihm zu seinem Geld verhelfen. Und da ritt er aus und nahm den Kolnern ein paar Kaufleute weg, und plagte sie so lang, bis sie das Geld herausgaben. Warst du nicht auch ausgeritten?

Karl . Nein! da mu? man durch einen dicken, dicken Wald, sind Zigeuner und Hexen drin.

Elisabeth . Ist ein rechter Bursch, furcht sich vor Hexen!

Maria . Du tust besser, Karl! leb du einmal auf deinem Schlo? als ein frommer christlicher Ritter. Auf seinen eigenen Gutern findet man zum Wohltun Gelegenheit genug. Die rechtschaffensten Ritter begehen mehr Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit auf ihren Zugen.

Elisabeth . Schwester, du wei?t nicht, was du redst. Gebe nur Gott, da? unser Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht nachschlagt, der so treulos an meinem Mann handelt.