»Nein, nein, nein«, quiekte Dobby und schuttelte so heftig den Kopf, da? ihm die Ohren ins Gesicht schlackerten.»Harry Potter mu? da bleiben, wo er in Sicherheit ist. Er ist zu gro?, zu gut, um verloren zu gehen. Wenn Harry Potter nach Hogwarts zuruckgeht, ist er in todlicher Gefahr.«

»Warum?«, fragte Harry verdutzt.

»Es gibt eine Verschworung, Harry Potter. Eine Verschworung mit dem Ziel, dieses Jahr in der Hogwarts-Schule fur Hexerei und Zauberei die schrecklichsten Dinge geschehen zu lassen«, flusterte Dobby und zitterte plotzlich am ganzen Leib.»Dobby wei? es schon seit Monaten, Sir. Harry Potter darf sich nicht in Gefahr bringen. Er ist zu wichtig, Sir!«

»Was fur schreckliche Dinge?«, fragte Harry sofort nach.»Wer steckt dahinter?«

Dobby gab ein seltsam wurgendes Gerausch von sich und schlug dann, wie von Sinnen, den Kopf gegen die Wand.

»Na schon!«, rief Harry und packte den Elfen am Arm, um ihn zu beruhigen.»Sie konnen es nicht sagen, verstehe. Aber warum warnen Sie mich?«Plotzlich kam ihm ein beunruhigender Gedanke.»Warten Sie – das hat doch nichts mit Vol – Verzeihung -, mit Du-wei?t-schon-wem zu tun, oder doch? Sie konnten einfach den Kopf schutteln oder nicken«, fugte er hastig hinzu, da Dobbys Kopf sich schon wieder Besorgnis erregend nahe zur Wand hin neigte.

Dobby schuttelte bedachtig den Kopf.

»Nein – nicht jener, der nicht genannt werden darf, Sir -«

Dobbys Augen jedoch waren weit aufgerissen und schienen Harry einen Hinweis geben zu wollen. Harry allerdings war vollkommen ratlos.

»Er hat doch keinen Bruder, oder?«

Dobby schuttelte den Kopf und ri? die Augen noch weiter auf.

»Tja dann; ich habe keine Ahnung, wer au?er ihm die Macht hatte, in Hogwarts schreckliche Dinge geschehen zu lassen«, sagte Harry.»Ich meine, da ist zwar Dumbledore -Sie wissen doch, wer Dumbledore ist?«

Dobby neigte den Kopf»Albus Dumbledore ist der gro?artigste Schulleiter, den Hogwarts je hatte. Dobby wei? das, Sir. Dobby hat gehort, da? Dumbledores Zauberkrafte jenem, der nicht genannt werden darf, auch auf der Hohe seiner Macht ebenburtig waren. Aber, Sir, es gibt Zauberkrafte, die Dumbledore nicht… Krafte, die kein anstandiger Zauberer…«

Und bevor Harry ihn festhalten konnte, sturzte sich Dobby vom Bett, packte Harrys Schreibtischlampe und schlug sie sich unter ohrenbetaubendem Jaulen um den Kopf.

Unten im Erdgescho? trat urplotzlich Stille ein. Harrys Herz begann zu rasen und einen Augenblick spater horte er Onkel Vernon in die Diele treten und rufen:»Dudley mu? mal wieder seinen Fernseher angelassen haben, der kleine Schlingel!«

»Schnell! Da hinein!«, zischte Harry, drangte Dobby in den Schrank, schlo? die Tur und warf sich aufs Bett. Schon drehte sich der Turknopf.

»Was zum Teufel treibst du hier?«, knurrte Onkel Vernon mit zusammengebissenen Zahnen und beugte sich mit dem Gesicht ekelhaft nahe zu Harry hinab.»Du hast mir gerade die Pointe von dem japanischen Golferwitz vermasselt… Noch ein Mucks, und du wirst dir wunschen, nie geboren worden zu sein, Junge«

Mit stampfenden Schritten verlie? er das Zimmer.

Harry befreite Dobby mit zitternden Handen aus dem Schrank.

»Sehen Sie, wie es hier ist«, sagte er.»Sehen Sie, warum ich nach Hogwarts zuruckmu?? Das ist der einzige Ort, wo ich – naja, wo ich glaube, da? ich Freunde habe.«

»Freunde, die Harry Potter nicht einmal schreiben?«, sagte Dobby hinterhaltig.

»Ich denke, sie waren einfach – Moment mal«, sagte Harry stirnrunzelnd.»Woher wissen Sie, da? meine Freunde mir nicht geschrieben haben?«

Dobby scharrte mit den Fu?en.»Harry Potter darf nicht zornig sein auf Dobby – Dobby hat es nur gut gemeint -«

»Haben Sie meine Briefe abgefangen?«

»Dobby hat sie hier, Sir«, sagte der Elf. Hurtig entfernte er sich aus Harrys Reichweite und zog einen dicken Packen Umschlage aus seinem Kissenbezug. Harry konnte Hermines fein sauberliche Handschrift erkennen, Rons wirres Gekrakel und selbst ein Gekritzel, das aussah, als stammte es von Hagrid, dem Wildhuter von Hogwarts.

Dobby blinzelte angstlich zu Harry empor.

»Harry Potter darf nicht bose sein… Dobby hat gehofft… wenn Harry Potter glaubt, da? seine Freunde ihn vergessen hatten… dann wurde Harry Potter vielleicht nicht mehr auf die Schule zuruckwollen, Sir…«

Harry horte ihm nicht zu. Er schnappte nach den Briefen, doch Dobby entkam ihm mit einem Sprung.

»Harry Potter kann sie haben, Sir, wenn er Dobby sein Wort gibt, da? er nicht nach Hogwarts zuruckkehrt. Aah, Sir, dort droht eine Gefahr, der Sie nicht begegnen durfen! Sagen Sie, da? Sie nicht zuruckgehen, Sir«

»Nein«, sagte Harry zornig,»geben Sie mir die Briefe!«

»Dann la?t Harry Potter Dobby keine Wahl«, sagte der Elf traurig.

Noch bevor Harry auch nur die Hand ruhren konnte, war Dobby schon zur Zimmertur gehechtet, hatte sie geoffnet und war die Treppe hinuntergerast.

Mit trockenem Mund und zusammengezogenem Magen setzte ihm Harry nach, so leise er konnte. Die letzten sechs Stufen ubersprang er und landete katzengleich auf dem Laufer. Er sah sich nach Dobby um. Aus dem E?zimmer horte er Onkel Vernons Stimme:

»… erzahlen Sie doch bitte Petunia diese unglaublich witzige Geschichte uber die amerikanischen Klempner, Mrs. Mason, meine Frau mochte sie unbedingt horen…«

Harry rannte die Diele entlang und in die Kuche. Was er dort sah, gab seinem Magen den Rest.

Tante Petunias Meisterwerk von einem Nachtisch, der Berg aus Sahne und kandierten Veilchenblattern, schwebte knapp unter der Decke. Auf einem Schrank in der Ecke kauerte Dobby.

»Nein«, achzte Harry,»bitte nicht… die bringen mich um…«

»Harry Potter mu? versprechen, da? er nicht in die Schule zuruckgeht -«

»Dobby – bitte…«

»Sagen Sie es, Sir -«

»Ich kann nicht -«

Dobby warf ihm einen schmerzerfullten Blick zu.

»Dann mu? Dobby es tun, Sir, nur zum Wohle Harry Potters.«

Die Platte fiel mit einem ohrenbetaubenden Splittern zu Boden. Sahne spritzte auf Fenster und Wande. Mit einem peitschenden Knall verschwand Dobby.

Aus dem E?zimmer drangen Schreie und Onkel Vernon kam in die Kuche gesturzt: Harry stand vor ihm, starr vor Schreck, von Kopf bis Fu? mit Tante Petunias Nachtisch besprenkelt.

Zunachst schien es, als wurde es Onkel Vernon gelingen, die Situation zu retten (»Nur unser Neffe – ganz verwirrt -Fremde machen ihm Angst, daher sollte er oben bleiben…«). Er drangte die uberraschten Masons mit sanfter Gewalt zuruck ins E?zimmer, versprach Harry, wenn der Besuch weg sei, wurde es Prugel setzen, da? ihm Horen und Sehen verginge, und druckte ihm einen Wischmopp in die Hand. Tante Petunia grub etwas Eis aus dem Kuhlschrank, und Harry, immer noch zitternd, begann die Kuche zu wischen.

Vielleicht hatte Onkel Vernon seinen Auftrag doch noch unter Dach und Fach bringen konnen – wenn da nicht die Eule gewesen ware. Tante Petunia reichte gerade eine Schachtel mit Pfefferminzplatzchen herum, als eine riesige Schleiereule durchs E?zimmerfenster geflattert kam, einen Brief auf Mrs Masons Kopf fallen lie? und wieder hinausflog. Kreischend rannte Mrs Mason aus dem Haus, lauthals uber»diese Verruckten«schimpfend. Mr Mason nahm sich noch die Zeit zu erklaren, da? seine Frau eine Heidenangst vor Vogeln aller Art und Gro?e habe. Ob die Dursleys solche Scherze denn witzig fanden?

Harry stand in der Kuche und klammerte sich am Wischmopp fest, als Onkel Vernon mit einem damonischen Glimmen in den kleinen Augen auf ihn zumarschierte.

»Lies ihn«, zischelte er bosartig und fuchtelte mit dem Brief, den die Eule gebracht hatte, in der Luft herum.»Nur zu – lies ihn«

Harry nahm den Brief in die Hand. Ein Geburtstagsbrief war es nicht.

Sehr geehrter Mr Potter, wie uns zur Kenntnis gelangt ist, wurde an Ihrem Wohnort heute Abend um zwolf Minuten nach neun ein Schwebezauber verwendet.

Wie Sie wissen, ist es minderjahrigen Zauberern nicht gestattet, au?erhalb der Schule zu zaubern. Weitere Zaubertatigkeit Ihrerseits kann zum Verweis von besagter Schule fuhren (Erla? zur Vernunftgema?en Beschrankung der Zauberei Minderjahriger, 1875, Abschnitt C).